Grussworte Stadt Pforzheim

Rede anlässlich der Jahreshauptversammlung der LÖBLICHEN SINGERGESELLSCHAFT VON 1501 PFORZHEIM am 11. Januar 2004

Bürgermeister Gert Hager, Stadt Pforzheim

Rede im vollen Wortlaut: Es gilt das gesprochene Wort!

Meine sehr geehrten Herren,

der Obermeister der Löblichen Singer hat mich gebeten, in meinem Grußwort an die Hauptversammlung Ihrer Gesellschaft auf das in einem Jahr beginnende Reuchlin-Jubiläum einzugehen und Perspektiven aufzuzeigen, was uns erwartet.
Ich komme dieser Bitte gerne nach. – Da nichts, auch nicht dieses Jubiläum, voraussetzungslos geschieht, werde ich mit einem Rückblick auf das beginnen, was zur Thematik „Reuchlin in jüngerer Vergangenheit“ zu sagen ist.

Nach den großen Leistungen eines Ludwig Geiger im
19. Jahrhundert in Sachen Reuchlin und den Festlichkeiten zum 400. Todestag des Humanisten im Jahre 1922 wurde es zunächst einmal still um den größten Sohn unserer Stadt.

Kein Wunder, passte der doch mit seiner positiven Einstellung zu den jüdischen Bürgern überhaupt nicht ins Konzept der Machthaber des Dritten Reiches.

In den Nachkriegsjahren ab 1955 waren es ein sensibler Oberbürgermeister und ein großer Reuchlin-Verehrer im Kulturamt, ich meine Johann Peter Brandenburg und Hermann Wahl, die zum 500. Geburtstag des Humanisten alles damals Mögliche taten, um dieses Ereignis über Pforzheim und Baden-Württemberg hinaus zu einem denkwürdigen Ereignis werden zu lassen.

Bundespräsident Theodor Heuß kam zur Geburtstagsfeier in die Jahnhalle, der Reuchlinpreis wurde gestiftet und erstmals vergeben, die Reuchlingesellschaft ins Leben gerufen und noch vor Stadthalle und Stadttheater ein Reuchlinhaus erstellt, was den Verantwortlichen damals nicht den ungeteilten Beifall der Bevölkerung einbrachte.

Zu jener Zeit erschienen auch eine mehrere hundert Seiten starke, Maßstäbe setzende Reuchlinfestschrift sowie die beiden ersten Bände der „Pforzheimer Reuchlinschriften“.

Als dann der 500. Geburtstag langsam in Vergessenheit geriet und der Wiederaufbau Pforzheims überraschend schnell voranschritt, konnte es im Verlaufe der Jahre schon geschehen, dass der eine oder andere Stadtrat bei den Etat-beratungen fragte, ob es denn unbedingt notwendig sei, den Reuchlinpreis alle zwei Jahre zu verleihen, es reiche doch auch ein dreijähriger Turnus; so könne man viel Geld sparen.

Neuer Schwung in „die Sache Reuchlin“ kam mit Beginn der Neunzigerjahre, als beim ersten Reuchlinkongress kein geringerer als Ministerpräsident Erwin Teufel einer „Reuchlinforschungsstelle“ in Pforzheim den Weg ebnete und die Heidelberger Akademie der Wissenschaften, mit der Pforzheim schon seit 1955 bei der Vergabe des Reuchlinpreises kooperierte, die wissenschaftliche Edition des Reuchlinbriefwechsels in ihr Forschungsprogramm aufnahm. Mittlerweile sind mit großem Erfolg zwei Bände erschienen.

Zeitlich parallel zu diesem in der wissenschaftlichen Welt hoch gelobten Editionsvorhaben hat an der Freien Universität Berlin ein Dreiergremium mit der Herausgabe des Gesamtwerkes von Johannes Reuchlin begonnen. Ausschlaggebend dafür war, dass die Stadt Pforzheim eine Anschubfinanzierung möglich gemacht hat. Auch von dieser Werkausgabe sind inzwischen zwei Bände erschienen.

Mit den Reuchlinkongressen, die von da an jährlich alternierend zur Vergabe des Reuchlinpreises stattfanden, ging auch kontinuierlich die Herausgabe weiterer Reuchlinschriften einher. Band 11 dieser Reihe befindet sich in Vorbereitung und wird in diesem Jahr erscheinen.

Um das Wissen über den Humanisten möglichst vielen Interessierten unkompliziert nahe zu bringen, hat die Stadt Pforzheim eine Reuchlin-Monographie des Deutschen

Taschenbuch Verlages gefördert und mit dem vormaligen Süddeutschen Rundfunk einen Film über Reuchlin produziert; sein Titel lautet: „ Wo Rauch ist, da ist auch Feuer“.

Schon seit vielen Jahrzehnten konnten für das Stadtarchiv wertvolle Originalausgaben der Reuchlinschen Werke erworben werden, nicht zuletzt weil Altstadtrat Dr. Walter Witzenmann stets großzügig die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellte.

Reuchlin rückte also in den Neunzigerjahren des 20. Jahrhunderts vermehrt ins Bewusstsein der Pforzheimer Bevölkerung, unter anderem auch deshalb, weil er dies buchstäblich in persona tat.

Der Humanist, von dem es kein authentisches Bildnis (mit Ausnahme einer schemenhaften Federzeichnung) gibt, nahm am Schloßberg Gestalt an, dank einer namhaften Spende von Herrn Werner Wild für zwei Reuchlin-Kunstwerke. Das eine, Reuchlins Bibliothek symbolisierend, steht im Stadtgarten, das andere, der zweite Guss einer Reuchlin-Figur aus dem Wormser Luther-Denkmal, am Schlossberg, wo es jetzt, nach dem Wiederaufbau der historischen Steuereinnehmerei, besonders gut im Blickfeld der Öffentlichkeit platziert ist.

All dies hat dazu geführt, dass Johannes Reuchlin, der selbst in seiner Heimatstadt bis vor einigen Jahrzehnten weitgehend unbekannt war, oder den man allenfalls für den Leiter des Reuchlinhauses hielt, es jüngst in einer Umfrage der „Pforzheimer Zeitung“ nach dem Superstar unserer Stadt hinter Berta Benz auf Platz zwei schaffte.

Dieser Erfolg ist allerdings noch verbesserungsfähig, erreichen die Verwaltung doch immer wieder einmal Zuschriften wie „An Herrn Johannes Reuchlin, Rathaus Pforzheim“.

Gelegenheit, Reuchlins Popularität zu steigern, bietet sich nunmehr in einem Jahr anlässlich seines 550. Geburtstages. Es soll gefeiert werden. Gut! Aber wie? Das fragen nicht nur die Löblichen Singer. Vorausschauend, wie unsere Verwaltung ist, wurde Johannes Rau schon kurz nach der Wahl in das höchste deutsche Amt als damals neuer Bundespräsident eingeladen, die Schirmherrschaft für die Fei-erlichkeiten im Jahr 2005 zu übernehmen und nach Pforzheim zu kommen. Das Staatsoberhaupt verwies in einem persönlichen Brief darauf, dass dies seinerseits eine zweite Amtszeit voraussetze und es überhaupt zu früh für Festlegungen sei.

In der Tat ist es nun so, dass die künftige Bundespräsidentin oder der künftige Bundespräsident nur sehr kurzfristig eingeladen werden können, es Theodor Heuß nachzumachen, der 1955 hier in Pforzheim mitfeierte.

Ähnlich unsicher scheint es, ob aus gegebenem Anlass für den ersten Humanisten Deutschlands eine Sonderbriefmarke erscheinen wird. Die Verwaltung hat nichts unversucht gelassen, dies zu erreichen; ob wir Erfolg haben, werden die nächsten Monate zeigen.

Auf der sicheren Seite sind wir mit dem, was die Pforzheimer selbst in die Hand nehmen. In einem vorbereitenden Gespräch, an dem natürlich die Löblichen Singer ebenso wie Vertreter von zahlreichen anderen Pforzheimer Vereinen, Institutionen und Verbänden teilgenommen haben, wurde eine einheitliche Linie für die einjährige Geburtstagsfeier festgelegt. Es soll insgesamt ein fröhliches Ereignis werden, das sich tatsächlich über das ganze Jahr erstreckt und für das jeder auf seine Weise einen Beitrag leistet. Das heißt, mitmachen können praktische alle, die dieses Ereignis ernst nehmen. Es geht nicht darum, ein eng auf Reuchlins Werk oder Personen ausgerichtetes Programm zu zelebrieren.

Johannes Reuchlin war, wie die schon erwähnte Monographie des Deutschen Taschenbuch-Verlages zeigt, ein lebensfroher, sinnenfreudiger Mensch, dem es Spaß machte, zu feiern. Deshalb wollen wir es ihm gleichtun und dies jeder nach seiner Facon! Der jeweilige Betrag ist sozusagen das Geburtstagsgeschenk, das dem Jubilar dargebracht wird.

Die geplanten Ereignisse reichen von der festlichen Verleihung des Reuchlinpreises bis hin zum geselligen Fest in der Innenstadt, vom musikalischen Topereignis bis beispielsweise zum Ratespiel für Kinder „Auf den Spuren Reuchlins“.

Wie das im einzelnen genau auszusehen hat und wann welche Aktivitäten stattfinden, das wird in der ersten Hälfte des vor uns liegenden Jahres schriftlich fixiert und in einem Veranstaltungskalender publiziert, mit dessen Erscheinen Anfang Oktober zu rechnen ist.

Auf dem Programm stehen schon jetzt eine Ausstellung der Bücher, die Reuchlins Bibliothek bildeten, eine Präsentation von Werken der Bildenden Kunst, die den Rang unserer erfolgreichen Spitzweg-Schau haben soll sowie die traditionelle Ausstellung „Ortszeit“ des Pforzheimer Kulturrats, die sich thematisch auf den Humanisten konzentriert.

Die FH ist ebenso eingebunden wie die Kirche, die Schulen ebenso wie andere Reuchlinstädte, zum Beispiel Stuttgart, Heidelberg und Ingolstadt, das Stadttheater ebenso wie das Kulturhaus-Osterfeld. Angedacht wurde die Aufführung von Musik des ausgehenden Mittelalters, die Darstellung der Bildung zu Zeiten Reuchlins, die Aufführung der Komödien Reuchlins und ein Lesemarathon, an dem möglichst die ganze Stadt Pforzheim Anteil nehmen soll. Insbesondere aber die Löblichen Singer haben schon eine Fülle von Ideen entwickelt, die das angebotene Spektrum in mannigfaltiger Weise bereichern werden. Dafür bedanke ich mich bereits jetzt an dieser Stelle.

Mit Sicherheit attraktiv für die ganze Bürgerschaft ist ein Stadtfest, das die PKM ausrichtet und einen Höhepunkt im Festjahr bildet mit Sicherheit die festliche Verleihung des Reuchlinpreises.

Wie Sie sehen, meine Herren, mangelt es keineswegs an Ideen, sondern eher an den finanziellen Mitteln. Deshalb haben wir von Seiten der Verwaltung keinen Zweifel daran gelassen, dass wir auf die Bereitschaft der Vereine, Institutionen und Organisationen vertrauen, ihren jeweiligen Beitrag aus eigenen Mitteln zu bestreiten, bei dem es sich ja in nicht wenigen Fällen um städtische Zuschüsse handelt.

Die Löblichen Singer bilden hier allerdings eine Ausnahme. Oft schon hat Ihre Gesellschaft die Stadt Pforzheim beschenkt und im sozialen wie kulturellen Bereich helfend eingegriffen. Auch bezüglich des Reuchlinschen Jubiläumsjahres soll, wie mir der Obermeister gedeutet hat, nicht anders verfahren werden.

Dafür danke ich schon jetzt, und Ihnen meine Herren, danke für’s Zuhören.

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