Matinee zur Stadtgeschichte
Sonntag, 8. Februar 2009, 11.15 Uhr
PZ Forum, Ecke Luisenstr./Poststr.
mit Adam Vollmer

Heinrich Wieland

Eintritt frei, Spende erwünscht

Heinrich Wieland erblickte am 4. Juni 1877 als ältestes von fünf Kindern des Chemikers und
Inhabers der Pforzheimer Scheideanstalt Dr. Theodor Wieland und dessen Frau Elise, geborene Blum,
in Pforzheim das Licht der Welt.

Da Wohnung und Firma der Familie in einem Gebäude untergebracht waren, nutzten Heinrich und
sein Bruder Hermann die Gelegenheit und führten bereits in ihrer Jugend chemische Experimente
im Labor des Vaters durch. Heinrich bestand am 11. Juli 1896 als Zweitbester seines Jahrgangs
die Abiturprüfung am Großherzoglichen Gymnasium Pforzheim und studierte anschließend Chemie
in München, Berlin und Stuttgart.

Im Juli 1901 promovierte er an der Universität München, habilitierte dort im Dezember 1904 und
wurde 1909 zum Professor berufen. Ab März 1917 leistete er seinen Kriegsdienst am Kaiser-
Wilhelm-Institut in Berlin-Dahlem als Leiter einer Abteilung, die sich mit der Entwicklung neuer Kampfstoffe beschäftigte. Nachdem er 1921 einem Ruf auf den Lehrstuhl für Chemie an der
Universität Freiburg im Breisgau gefolgt war, übernahm er 1925 den berühmten Lehrstuhl für
Chemie an der Universität München.

Für das Jahr 1927 erhielt Heinrich Wieland den Nobelpreis für die Strukturaufklärung der
Gallensäuren.

Gleichzeitig entwickelte er als Berater zusammen mit seinem Bruder Hermann für
die pharmazeutische Firma Boehringer einige umsatzstarke Produkte.

1931 wurde Heinrich Wieland Mitglied im Aufsichtsrat von Boehringer. Zur Grundlagenforschung
zählt seine seit dem Jahr 1913 entwickelte Dehydrierungstheorie, die ihm das Ansehen eines herausragenden Biochemikers einbrachte.

Im Laufe der Zeit studierten bei Wieland rund 600 Studenten aus dem In- und Ausland, die in
den folgenden Jahren angesehene Wissenschaftler, Lehrstuhlinhaber oder Industriechemiker wurden, darunter die späteren Nobelpreisträger Wendell Stanley und Feodor Lynen. Außerdem redigierte
er 30 Jahre lang mit „Justus Liebigs Annalen der Chemie“ eine der weltweit bedeutendsten Fachzeitschriften und bearbeitete 17 Auflagen seines Lehrbuches „Die Praxis des organischen
Chemikers“.

Während des Dritten Reiches bewies Wieland ein hohes Maß an Zivilcourage und ignorierte
einschlägige Verordnungen des NS-Regimes gegen „rassisch Verfolgte“. Auf diese Weise
verschaffte er rund 25 Betroffenen, darunter auch der späteren Staatsministerin Hildegard
Hamm-Brücher, Zuflucht und Beschäftigung in seinem Labor.

Nach dem Krieg betrieb er mit hohem persönlichem Einsatz den mühseligen Wiederaufbau der
chemischen Institute. 1952 übergab der nunmehr 75-jährige Wieland die Institutsleitung an seinen Nachfolger Rolf Huisgen.

Heinrich Wieland war seit dem Jahr 1908 mit Josephine, geborene Bartmann, verheiratet.
Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor. Seine besondere Liebe galt dem Bergsteigen und dem Klavierspiel. Er verstarb am 5. August 1957 in Starnberg bei München.