Literatur- & Musik-Matinee
PZ-Forum.
am Sonntag, 04.11.2012, 11.15 Uhr

Hermann Hesse

Rezitation aus der Lyrik von Hermann Hesse anlässlich seines 50. Todestages
durch
Prof. Dr. Claus Thomas
musikalische Performance durch Inés Zimmermann,

dazu eine Tagesausstellung im Foyer des PZ-Forum
mit Handpressendrucken und Linolschnitten
von Axel Hertenstein


VORWORT Claus Kuge
Einige Gedanken zur Modernität von Hermann Hesse

Am 9. August vor 50 Jahren starb Hermann Hesse. Man hat ihn tief verehrt und oft auch verachtet.
Mit geschätzten 150 Millionen verkauften Büchern ist Hermann Hesse der weltweit erfolgreichste
deutschsprachige Literat des 20. Jahrhunderts. Jährlich werden ca. 400.000 weitere Hesse Bücher
verkauft.

Was Hermann Hesse ganz besonders zu einem Autor der heutigen Zeit macht ist Folgendes:
Für ihn schien es zeitlebens darum zu gehen, sich eine zweite Welt zu erschaffen. Eine Welt, die
einem selbst gehört und mit deren Hilfe man jene, durch die man auf zwei Beinen zu schreiten hat,
besser ertragen kann.

Hermann Hesse war deutscher Zeitgenosse und erlebte alle Phasen der nationalen und heroischen
Gedankengutes der wilhelminischen Ära und erlebte den ersten Weltkrieg, den Zusammenbruch der
bürgerlichen Welt und Ordnung – des bürgerlichen Gedankengutes.
Er erlebte die Suche nach einem neuen Verständnis der Welt. Er erlebte den Aufstieg der
Nationalsozialisten und Hitlers. Den Größenwahn des Herrenrassen-Denkens und den 2. Weltkrieg
mit allen seinen Realitäten von Unterdrückung, Gewalt und Tod und seinen Geistigen Realitäten,
Aussagen und Doktrin. Das war die Welt in der er lebte und in der er sein dichterisches Werk verfasste!

Unsere moderne Zeit des 21. Jahrhunderts ist nun wieder geprägt von zweiten Welten.
In zweiten Welten leben Menschen in der gigantischen Welt des Internet, in der alle Fantasien erfüllt
scheinen – in der Welt der mobilen Daten, der sozialen Netzwerke mit ihren >Like< und >Like not<

Um heute bestehen zu können im realen Leben scheint es geradezu erforderlich zu sein, das Talent zu
entwickeln, sich selbst in zweite Welten zu transportieren. Und es scheint notwendig zu sein, sich in eine
zweite Welt zurückziehen zu können wie in einen Unterschlupf, da in unserem gesellschaftlichen Leben
die Forderung und Transparenz immer deutlicher wird und alle Bereiche erfasst.

Bei der Suche nach einer zweiten Welt in der man sich wohl fühlt und Halt findet, kann kaum ein Autor
so sehr helfen wie Hermann Hesse.

Das Bezeichnende an ihm ist, dass er immer wieder geistige Ideologien geschaffen hat, dass er aber
dort immer eine Strenge walten lies.

Hermann Hesse hat sich im Sinn von Philosoph Immanuel Kant immer in seiner Prosa und seinen
Gedichten mit den drei elementaren menschlichen Fragen beschäftigt, auseinandergesetzt und als Kern
seiner Romanfiguren verwendet:

Was können wir wissen?

Was sollen wir tun?

Was können wir hoffen?

Deutlich wird diese Auseinandersetzung mit Leben und Lebenskampf in folgenden Zeiten zur Figur
Harry Hallers aus dem Steppenwolf:

>Es brennt in mir eine wilde Begierde nach starken Gefühlen, nach Sensationen, eine Wut auf dieses abgetönte Flache, norminierte und sterilisierte Leben und eine rasende Lust etwas kaputt zu schlagen, ein kleines Mädchen zu verführen oder einigen Vertretern der bürgerlichen Weltordnung das Gesicht ins Genick zu drehen.<

Man sieht, Hesse war kein Heile Welt Dichter oder Schreiber. Er hat auch selbst kein Heile Welt
Leben geführt. Er war alles andere als ein Bürger. Weder gradlinig noch geordnet. Er lebte zwischen
und mit Sex und Frauen und in Einsamkeit, ja Askese. Seine Sinneswandlungen und seine variierenden
Ideologien waren seine persönlichen Fortentwicklungen. Sein Leben ist gekennzeichnet von Cäsuren
und Abschnitten und Brüchen. Kontinuität war nicht sein Ding. Oder wie Hermann Hesse Preisstifter
und Rockstar Udo Lindenberg singt: Ich mach mein Ding.

Das tat Hermann Hesse bis zum 9. August 1962 als er 85-jährig in seinem Haus in Montagnola starb.
Da war schon wieder von der rebellischen Jugend als >Steppenwolf< wieder entdeckt worden.
Und wurde für die 68er Generation zur authentischen Kultfigur. Und erneut zum Bürgerschreck für das Establishment.

>Ich gehorche nicht und werde nicht gehorchen< hat er bereits als 16-jähriger seinen Vater wissen lassen.
Und formuliert: >Ich möchte mir den Schädel an diesen Mauern einrennen, die mich von mir selber trennen<.

Weil Hermann Hesse Literatur, wie Sie die Seminare verstehen und auch die zeitgenössischen
Literaturkritiker, kalt lässt richtet er sich geistig am Rande der Kunst ein. Wie Rilke über ihn einerseits
bewundernd und andererseits zweideutig aussagt. Mit Siddharta, Steppenwolf, Narziß und Goldmund
und das Glasperlenspiel schafft Hermann Hesse Weltliteratur für die er 1946 als erster Deutscher nach
dem 1.000-jährigen Reich den Nobelpreis für Literatur erhält.
Zur Preisverleihung in Stockholm erspart sich Hermann Hesse die Reise.
Er ist des Trubels müde und dichterisch ist er verstummt. Zu Lebezeiten wird er Legende.
Und ist es bis heute geblieben.

Warum?

Lassen Sie sich jetzt begeistern von Prof. Claus Thomas und Ines Zimmermann.
von Schiller berühren zu lassen.

Claus Kuge

(Es gilt das gesprochene Wort)


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